Der Füfzger – Ein Gastbeitrag von Henriette Kläy

Am Wochenende ist Cousinen-Stamm. In Genf, Pick-Nick im Parc-des-Eaux-Vives. Jeder bringt etwas mit. Aha. Soso. Was könnte ich denn da ... Alle anderen haben Jobs, gute Jobs, als Lehrer, Anwälte, und so weiter, nur ich  habe keinen.

 

Allerdings spielt das in diesem Gremium keine Rolle, da ich auch schon früher, als ich noch einen Job hatte, nie viel verdient habe, die wissen das alle schon, und ich schäme mich schon lang nicht mehr als einzige Nichtmaturandin. Jedenfalls gebe ich das nicht zu.

 

Ich hab genau noch 12.35 Fr. im Portnütmee. Da könnte ich Brotteigtaschen machen mit Gemüse drin, mit Curry oder so, das habe ich noch, und Mehl auch. Das Wasser haben sie mir auch noch nicht abgestellt.

 

Ich gehe zur Migros, klaube Gemüse zusammen für die Füllung: 4 Rüebli (-.60) - Salat (4.40 macht 5.-) - Speckwürfeli (3.50 sind 8.50) - Fenchel (3.- macht 11.50) - Tomaten (5.- macht 16.50) oh Sch...., das ist zu viel, muss ja noch Hefe haben (-.30 macht 16.80) also Fenchel zurück = 13.80 Fenchel, ist aber immer noch zu viel, also die Hälfte Tomaten weg (2.50 sind 13.30 äh, was, nein also 13.80 weniger 2.50 sind 11.80, sind 11.30 gut das reicht vielleicht gerade noch für Knoblauch, der darf dann 12.35 weniger 11.30 bleibt 1.05, glaub ich, ja das reicht, Tasche kann ich dann aber keine mehr kaufen, ist ja auch nicht viel, kann ich alles in der Hand tragen.

 

Ich stehe an der Kasse an, der Gedanke, dass ich mich verrechnet haben könnte treibt mir, wie immer den Schweiss aus allen Poren. Als der Kassier das Total hat, sehe ich, dass ich gut gerechnet habe. Ich will ihm das Geld geben, als mir ein 50gi auf das Transportband fällt und im Spalt verschwindet. Ich sage, ich habe nicht mehr Geld, er soll es halt hervorgrübeln. Er versucht's, es geht nicht. Ich sage, ich will aber meine Einkäufe, ich habe 12.30 bezahlt, die Migros hat dieses Geld, die kann es bei der nächsten Putzete einbuchen. Er sagt, das gehe nicht (hinter mir die Schlange scharrt). Ich sage ja aber das kann doch nicht wahr sein, ich habe einfach nicht mehr. Er sagt, dann bezahle ich Ihnen dieses Füfzgi. Nein, sage ich das will ich nicht, die Migere hat genug Stutz, wird doch wohl so kulant sein und mir jetzt meine Einkäufe überlassen, ich hab den Fünfziger ja gegeben, und dann lauter, an die Adresse der murrenden Schlange: DAS IST HALT SO IN UNSERER SCHÖNEN SCHWEIZ. WENN MAN IV BEZIEHEN MUSS HAT MAN EBEN NUR ABGEZÄHLTES GELD, UND ZWAR VERDAMMT KNAPP!!!.

 

Der Kassier schaut, weiss nicht weiter, sagt, dann müsse er halt etwas wegnehmen. Ich sage: „Nein, wenn die Genossenschaft Migros auf 50 Rappen, die sie ja hat - wenn auch im Möbel - nicht verzichten könne, dann will ich den ganzen Mist nicht. Sie können alles stornieren und wieder versorgen, es gibt noch andere Läden mit einer ganz anderen Kundenpflege." - Sage es und rausche erhobenen Hauptes davon, stolz leidend, dramatisch, effektvoll.

 

"Frölein!" tönt der Kassier - ich bin nicht weit gekommen - höre nur: "Öies Gäut!" Oha. Das ist jetzt saupeinlich, aber ich brauche es wirklich noch. Futsch der heroische Abgang. Hochroten Hauptes eile ich zurück, nehme mein Geld und husche geschwind davon, nur weg, so schnell wie möglich.

 

Im Denner kaufe ich dann das Gleiche nochmal, allerdings ohne Knoblauch. Die Cousins essen sie trotzdem gerne, besonders weil ich sie ihnen mit einer schönen Geschichte serviere.

 

Henriette Kläy

 

(25.07.2017)

 

Siehe auch:

 

http://www.haelfte.ch/index.php/Portraet_Reader/items/Schlamassel.html

http://www.haelfte.ch/index.php/Portraet_Reader/items/P%C3%A9trin.html

 

http://www.haelfte.ch/index.php/Portraet_Reader/items/N%C3%A4hatelier.html

http://www.haelfte.ch/index.php/Portraet_Reader/items/Atelier_de_couture.html

 

http://www.haelfte.ch/index.php/Portraet_Reader/items/Wohnungsrenovation.html

http://www.haelfte.ch/index.php/Portraet_Reader/items/Appartement_social.html

 

Etc:

http://www.haelfte.ch/index.php/archiv.html