Gastbeitrag von Yvonne Feri zur Altersarmut

Nationalrätin Yvonne Feri

 

Möchte ich wirklich bis 65 arbeiten? Reduziere ich vorher mein Arbeitspensum? Möchte ich mein Pensionskassengeld als Rente oder als Einmalauszahlung? Wie beziehe ich die Gelder aus meinen 3a-Konten? Das sind Fragen, welche sich viele Menschen hier in der Schweiz gar nicht stellen müssen. Denn ihre Realität sieht anders aus.

 

Sie müssen sich viel eher fragen, ob sie nach der Pensionierung ohne Ergänzungsleistungen über die Runden kommen.

 

Das Risiko von Altersarmut in der Schweiz besteht. Es gibt Menschen, die ihr ganzes Leben lang arbeiten und im Alter trotzdem nicht genug zum Leben haben. Das Bundesamt für Statistik schreibt, dass 7.5% der Rentnerinnen und Rentner nur mit Mühe für die nötigsten Aufgaben aufkommen können und es für jede 10. ältere Person nicht möglich ist, eine unvorhergesehene Ausgabe von 2000 Franken innerhalb eines Monats zu begleichen.

 

Laut Pro Senectute sind in der Schweiz 12% der Renten-Bezügerinnen und –Bezüger auf Ergänzungsleistungen angewiesen. Betroffen sind vor allem Niedrigqualifizerte, alleinlebende Frauen und Langzeitarbeitslose. Auch Teilzeitarbeit über längere Zeit oder eine Veränderung der Lebenssituation, wie beispielsweise Scheidung oder Trennung, erhöhen das Risiko von Altersarmut.

 

Niedrigqualifizierte Erwerbstätige arbeiten oft in Niedriglohnsektoren, wie beispielsweise Baugewerbe, Detailhandel oder Gastronomie. Sie können im Laufe ihres Arbeitslebens keine Ersparnisse zurücklegen, weil das Einkommen kaum zum Leben reicht. Denn gerade in diesen Sektoren herrschen prekäre Arbeitsverhältnisse.

 

Systematisch benachteiligte Frauen

 

Bei den Frauen ist es so, dass sie häufig eine unterbrochene Erwerbszeit haben. Wenn sie Kinder bekommen, ziehen sie sich für eine Weile aus der Arbeitswelt zurück, um oftmals anschliessend lediglich in eine Teilzeitstelle zurückzukehren. Ausserdem arbeiten sie häufiger in typischen «Frauenberufen», die traditionell schlechter entlöhnt sind. Ergänzend kommt der generelle Lohnunterschied zwischen den Geschlechtern dazu. Diese Benachteiligungen im aktiven Erwerbsleben wirken sich auch nachteilig auf die finanziellen Verhältnisse im Alter aus.

 

Bei den Frauen sind es also die Faktoren Unterbruch, Teilzeit und Lohnungleichheit, die das Risiko für eine Altersarmut erhöhen. Zwar gibt es sogenannte Erziehungsgutschriften. Dies sind fiktive Einkommen, die erst bei der späteren Rentenberechnung berücksichtigt werden und können für Personen, welche Kinder unter 16 Jahren betreuten, geltend gemacht werden. Aber diese gleichen die fehlenden Rentenbeiträge nicht aus.

 

Folgenschwere  Reduktion des Alterseinkommens

 

Vielleicht ist die Altersarmut in der Schweiz nicht auf den ersten Blick sichtbar. Aber es ist eine Tatsache, dass bei vielen Rentnerinnen und Rentnern die fixen Lebenskosten wie Miete, Krankenkasse und Steuern einen grossen Teil des Einkommens auffressen. Deshalb minimieren sie ihre persönlichen Ansprüche. Aus Scham erfolgt ein Rückzug aus dem gesellschaftlichen Leben und sie verzichten auf viele Aktivitäten. Die Dunkelziffer von armutsbetroffenen RentnerInnen ist sicher höher, als die Zahl, die in den Statistiken auftaucht.

 

Laut Bundesamt für Statistik besteht für etwas mehr als einen Viertel der RentnerInnen die Altersvorsorge lediglich aus der AHV. Für etwas mehr als die Hälfte dieser Menschen stellt die Rente aus der ersten Säule zusammen mit Ergänzungsleitungen und Hilflosenentschädigungen die einzige Einkommensquelle dar. Diese Personen verfügen auch selten über ein Vermögen.

 

Vertreten sind in dieser Gruppe häufig Menschen mit schlechter Schulbildung, alleinlebende Frauen, sowie Ausländerinnen und Ausländern.

 

Deutlich grösser ist jedoch der Anteil derjenigen, deren Renteneinkommen sich aus erster und zweiter Säule zusammensetzt. Und nach Erhebungen des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes können nur gerade ein Drittel der Männer und weniger als ein Fünftel aller Frauen Leistungen aus allen drei Säulen beziehen.

 

Rentenreform für alle

 

Nach der gescheiterten Abstimmung zur Rentenreform im letzten Jahr steht die Ausarbeitung einer neuen Vorlage als grosse Aufgabe vor uns. Eine gerechte Rentenreform ist unumgänglich und muss sein. Unsere Renten sollen auch für die Zukunft gesichert werden. Und jeder Mensch möchte die Möglichkeit haben, in Würde zu altern und auch als Rentnerin und Rentner am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben.

 

Wir brauchen eine Revision, die neben der Sicherheit dafür sorgt, dass die Schere zwischen Arm und Reich auch bei Rentnerinnen und Rentnern nicht noch weiter aufgeht.

 

Quelle: Bundesamt für Statistik 2014, Armut im Alter, 851-1201


Zur Person:

 

Yvonne Feri ist SP-Nationalrätin aus dem Aargau, Präsidentin und Geschäftsführerin des Vereins für soziale Gerechtigkeit.

 

Siehe auch: www.yvonneferi.ch und www.armutinfo.ch