Kapitalfreies Rentensystem stärken

Paul Ignaz Vogel

 

In unserem Land ist das kapitalbedingte Rentensystem der Beruflichen Vorsorge (BVG) in grosser Bedrängnis und dürfte sich angesichts der Finanzmärkte wohl kaum nachhaltig erholen. Folgerichtig strebt daher eine Rentenreform die Stärkung der kapitalfreien AHV an. Die KommunistInnen kämpfen gegen die von einem Kompromiss geprägte Reform.

 

Das schweizerische Rentensystem zeichnet sich durch drei Säulen aus. Die erste Säule (AHV) funktioniert als Gesellschaftsvertrag und ist kapitalfrei. Im Umlageverfahren finanziert die erwerbstätige Generation die Renten der lebenden Pensionierten-Generation. Sei es hauptsächlich durch paritätische Lohnprozente, sei es zusätzlich durch Mehrwertsteuerprozente, um den Alterungsprozess in der Gesellschaft etwas abzufedern.

 

Die Zweite Säule (Berufliche Vorsorge BVG) ist ein System der reinen Kapitalanlage und der Zinserträge, welche zu Renten führen sollten. Dieses System versagt zusehends. Ein Zeichen dafür ist die geplante nochmalige drakonische Senkung des obligatorischen Umwandlungssatzes der Verzinsung, der von den Behörden festgelegt wird: Das ist ein mittel- bis langfristiger System-Widerspruch, der sich nicht lösen lässt, weil er sich gegen das inhärente Marktprinzip wendet. Die Dritte Säule beinhaltet private Ersparnisse für jene, welche in ihrer Erwerbszeit im Überfluss leben konnten. Was bleibt ist Irrationalität, Glaube und Hoffnung auf die Finanzmärkte und ihr Spekulationssystem an den Börsen.

 

https://www.parlament.ch/centers/eparl/curia/2014/20140088/Schlussabstimmungstext%201%20NS%20D.pdf

 

http://www.oak-bv.admin.ch/fileadmin/dateien/Regulierung/Mitteilungen/de/Mediendokumentation_09052017_Deutsch.pdf

 

Solide Basis der SozialdemokratInnen

 

Die sozialdemokratische Partei der Schweiz hat bis Ende April 2017 ihre Basis, das heisst alle Mitglieder zum Thema Rentenreform in einer Urabstimmung befragt. Das Resultat ist sensationell: Mehr als 90 Prozent befürworten die Stärkung der ersten kapitalfreien Säule angesichts der finanzmarktbedingten Schwächung der Zweiten Säule und bejahen die von Bundesrat und Parlament angestrebte Rentenreform.

 

http://www.sp-ps.ch/de/publikationen/medienmitteilungen/urabstimmung-deutliches-ja-der-sp-mitglieder-zur-altersvorsorge

 

Die SPS schreitet immer zu Urabstimmungen, wenn es darum geht, Manipulationen zu erkennen und abzublocken. So das erste Mal im Jahr 1919, als eine Urabstimmung den Beitritt der SPS zur kommunistischen 3. Internationalen (Komintern)  kippte. Ein von KommunistInnen dominierter Parteitag der SPS hatte zuvor den Beitritt beschlossen.

 

https://de.wikipedia.org/wiki/Kommunistische_Internationale
 

Die Komintern endete 1943, als der millionenfache Massenmörder Josef Stalin sie - auf Wunsch seiner westallierter Bündnispartner – auflöste. Demokratie oder Diktatur (des angeblichen Proletariats) – das Dilemma beschäftigt die Linke in der Schweiz immer wieder von Neuem und blockiert oft mit unendlichen theoretischen Diskussionen eine starke sozialdemokratische  Position in den Wahlen. Nun ist mit der aktuellen Urabstimmung in der SPS einmal mehr geklärt worden, wo die Partei steht: Wie ihr Name sagt: Auf dem Boden der schweizerischen Demokratie, mit einem Souverän, der wählt, abstimmt und sich auf dem Boden des Rechtsstaates befindet.

 

JUSO auf Seiten der ArbeitgeberInnenschaft 

 

Den Batzen und den Weggen beziehen die schweizerischen JungsozialistInnen (JUSO). Sie sind ein unabhängiger Verein – analog zu ihrer Mutterpartei SP Schweiz, von der sie sich jedoch finanziell unterstützen lassen. Zudem haben sie sich – in Doppelmitgliedschaft - erheblich in den Machtpositionen und Funktionen der Mutterpartei eingenistet.

 

http://www.bernerzeitung.ch/schweiz/standard/sppolitiker-wollen-juso-rauswerfen/story/15631787

 

Die Gretchenfrage stellt sich nun für die JUSO Schweiz. Nämlich die Frage, wo sie ideell, grundsätzlich stehen, ob sie ewig jung zu bleiben gedenken und ob sie die harte RenterInnenrealität von heute und morgen nichts angeht - nur Theorie bleiben soll. Am 6. Mai 2017 beschloss nämlich die Delegiertenversammlung der JUSO Schweiz, gegen den eidgenössischen Kompromiss der Rentenreform anzutreten und sich damit gegen die Basis der SP-Mitgliedschaft zu stellen.

 

http://www.blick.ch/news/politik/nein-zur-altersvorsorge-2020-jusos-bei-rentenreform-gegen-mutterpartei-id6636526.html

 

Es ist schon bemerkenswert und zwingt zum Nachdenken. Zwar mit anderen Argumenten, jedoch mit gleichem Resultat stellen sich somit die JUSO gegen den erreichten eidgenössischen Rentenreform-Kompromiss. Sie haben sich damit ins gleiche Boot wie die ArbeitgeberInnen der Deutschschweiz gesetzt. Das ist eher peinlich. Siehe auch:

 

http://www.arbeitgeber.ch/sozialpolitik/nein-zur-altersvorsorge-2020/

 

Und im Refendumskomitee Nein zur Rentenreform 2020:

http://www.swissinfo.ch/ger/58-718-unterschriften-gegen-die-altersreform-2020-eingereicht/43314748

 

(PIV 06.07.2017)    

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Ruth Dreifuss:

 

Blick von der Gründung der AHV bis zur Altersvorsorge 2020

 

Die AHV ist das Fundament der Schweizer Sozialpolitik. Ein Sozialwerk, das die Rechte nie wollte. Alt Bundesrätin und Gewerkschafterin Ruth Dreifuss erinnert an den harten Kampf vor der Volksabstimmung vom 6. Juli 1947 über die Einführung der AHV. An zehn AHV-Revisionen, welche die Leistungen den Bedürfnissen der Bevölkerung anpassten. An 20 Jahre Stillstand. Und sieht die Chance, die AHV endlich wieder zu stärken. Mit zwei Ja zur Altersvorsorge 2020 am 24. September.

 

Vor genau 70 Jahren haben die Stimmberechtigten in der Schweiz das Gesetz über die Alters- und Hinterbliebenenversicherung gutgeheissen. Es war die Krönung eines langen gewerkschaftlichen und linken Kampfes. Und gleichzeitig der Beginn eines zähen Ringens um Leistungen, welche die Rentnerinnen und Rentner, die Witwen und Waisen auch tatsächlich schützen.

 

Die AHV: ein Recht, kein Almosen

 

Schon im Generalstreik von 1918 war die AHV eine der zentralen Forderungen  und blieb seither immer im Zentrum des gewerkschaftlichen Engagements. 1925 verankerten Volk und Stände den Auftrag, eine Alters- und Hinterbliebenenversicherung zu gründen in der Verfassung. Doch die Rechte torpedierte einen ersten Gesetzesentwurf erfolgreich. 1947 mobilisierte die wegen eines Referendums der gleichen Gegner nötig gewordene Abstimmung dann alle gewerkschaftlichen Kräfte. Um endlich eine Versicherung zu verankern, deren Prinzipien seither gelten: Alle sind versichert unabhängig davon, welchen Lebensentwurf jemand wählt; die Beiträge sind einkommensabhängig, während die Maximalrente gedeckelt ist. Anders gesagt: es geht um ein Recht und nicht um Almosen, wie der Schweizerische Gewerkschaftsbund in den Wochen vor der Abstimmung vom 6. Juli 1947 schrieb. Alle müssen dazu beitragen und die Stärkeren helfen den Schwächeren. Die Solidarität ist das Fundament der AHV. Und deshalb ist die AHV das Fundament der Schweizer Sozialpolitik.

 

Langes Ringen um Verbesserungen

 

Die Einführung der AHV ist auch der Beginn eines langen Ringens: die ab 1948 ausbezahlten Renten waren viel zu knapp berechnet, um die Altersarmut der Arbeiterinnen und Arbeiter auszumerzen. Es brauchte neun AHV-Revisionen, um sich diesem Ziel anzunähern. Und es brauchte eine 10. AHV-Revision, damit den Frauen das Recht auf eine eigene Rente zugestanden wurde, bei deren Berechnung ausserdem die Erziehungs- und Betreuungsaufgaben berücksichtigt wurden. Damit der bisherige Lebensstandard im Rentenalter gehalten werden konnte, wurde es auch nötig, die bislang freiwillige und an eine Firma oder Branche gebundene berufliche Vorsorge für obligatorisch zu erklären.

 

Gleiche Gegner, gleiche Argumente

 

Heute führen wir wieder eine Kampagne für eine Reform der Altersvorsorge. Dieselben Gegner bekämpfen die Vorlage. Mit den immer gleichen Argumenten wollen sie eine Stärkung der AHV verhindern. Erneut müssen wir ihre Strategie bekämpfen, die AHV in eine Defizitspirale zu führen, um danach einen massiven Leistungsabbau rechtfertigen zu können. Wir wollen sowohl das Rentenniveau aus erster und zweiter Säule erhalten, als auch deren Finanzierung mittelfristig sichern. Das verlangt auch Opfer: eine leichte Anhebung der Mehrwertsteuer und der von Arbeitgebern und Arbeitnehmern bezahlten Lohnbeiträge. Aber auch die schrittweise Erhöhung des Frauenrentenalters.

 

Ausgeglichene Kosten-Nutzenrechnung

 

Die einzigen Reformen der Altersvorsorge, die bisher angenommen wurden und so die Lage der Rentnerinnen und Rentner verbessern konnten, waren jene mit einer ausgeglichen Kosten-Nutzen-Rechnung. Am 24. September können wir über eine solche ausgeglichene Reform entscheiden. Sie kann aber nur Erfolg haben, wenn Volk und Stände neben dem Gesetz auch die Erhöhung der Mehrwertsteuer gutheissen. Am 6. Juli 1947 reichte ein Ja für die Geburt der AHV. Am 24. September 2017 braucht es zwei Ja, damit diese AHV gestärkt wird!

 

(SGB, 06.07.2017)