Schon wieder
Jedes Jahr gedenken wir am 27. Januar der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz im Jahre 1945. Und damit der Schoa, dem Menschheitsverbrechen ohne Beispiel und Vergleich. Nie wieder, lautet unsere Devise. Nie wieder? Oder schon wieder? Wohin führt uns der fatale Hass auf Jüdinnen und Juden noch?
Von Paul Ignaz Vogel
Am 7. Oktober 2023 überfielen Terrorist: innen der radikal-islamistischen Hamas vonGaza aus den Süden Israel und massakrierten auf bestialische Art gegen 1’200 Personen, nahmen 240 in Geiselhaft, es erlitten ca. 5'400 Personen schwere Verletzungen. Die Verbrechen geschahen auf israelischem Hoheitsgebiet.
Die sogenannten sozialen Medien des Internets stürzten sich auf die Ereignisse, ein hybrider Krieg setzte sich in der medialen Öffentlichkeit fest. Traditionelle Medien fielen in der Sofortphase nach den Massakern auf mannigfache Manipulationen herein und bemitleideten die Täter:innenschaft, die Hamas als Opfer - als Israel begann, sich zu verteidigen. Die Rolle Opfer und Täter: innen erschienen plötzlich umgekehrt.
Und heute? Gibt es Strukturen, Kontinuitäten, gesellschaftliche Ursachen für den steten und unbändigen Hass auf Jüdinnen und Juden? War es mit dem Ende des offiziellen Nationalsozialismus in Deutschland nicht zu Ende? Hat sich diese mörderische Vernichtungsideologie in anderem Gewand, von Generation zu Generation in der Neuzeit verändert, jedoch fortgepflanzt? So dass wir heute von der ersten NS-Generation unter Hitler und Himmler, der zweiten unter der PLO und ihres terroristischen Zweiges der PLFP (u.a. Flugzeug-Attentat im schweizerischen Würenlingen 1970 etc.), der dritten unter der Hamas reden müssen?
Christentum verdrängt Judentum
Was wir historisch zuallererst feststellen: Das christliche Zeitalter bedeutete eine Katastrophe sondergleichen für das Judentum. Paulus, einst Saulus, ein Grieche mit jüdischer Herkunft, der sich zum hingerichteten jüdischen Rabbi Jesus von Nazareth in Palästina bekehrte, entwickelte als erster das gigantische ideologische Gebäude des Christentums, nahm eigentlich dem Judentum die Hoffnung auf einen noch kommenden Messias weg. Jesus, nun in den Schriften mit dem Zusatz Christus genannt, erwies sich für Paulus und seine Anhänger: innen als der neue Messias. Dies war ihre Annahme, ihr bestimmter Glaube. Und sie entwickelten zeitgemäss ein neues Narrativ.
Eine neue Zeit begann, ein neuer «Bund zwischen Gott und dem Volk» ausgerufen, nun zwischen dem Allerhöchsten und dem neuerdings christlichen Volk, welches das jüdische Volk verdrängte und in dessen Heilsanspruch negierte. Die neue Botschaft aus schriftlichen Narrativen (Evangelien) bedeutete für die entstandene Christologie Abgrenzung und Neudefinition. Sie beruhte auf einer fundamentalen Verdrehung, auf einer kapitalen Unwahrheit. Die einst von den römischen Besatzungsmächten im jüdischen Palästina vollzogene Hinrichtung des aufständischen Rabbi Jesus galt fortan als Gottesmord, von Jüdinnen und Juden begangen. Wehe ihnen! Wehe den Anderen, den einst Unsrigen!
*
Tatsache war, dass die Kolonialmacht Rom den Jüdinnen und Juden in Palästina spinnefeind war. 67-70 n. Chr. führten die römischen Kolonialherren einen Krieg gegen die Palästina einheimischen Jüdinnen und Juden. Im jüdischen Krieg eroberte Rom Jerusalem und zerstörte den jüdischen Tempel, erbeutete Kultgeräte und führte sie später im Triumphzug durch das ferne Rom. Den jüdischen Widerstand brachen die Römer: innen in der Festung Masada in den Jahren 73 / 74 n. Chr. Mutig widersetzten sich die eingekesselten Jüdinnen und Juden. Und um nicht in die Hände der Feinde zu fallen, begingen sie kollektiv Selbstmord, gemäss historischen Annahmen.
Mit dem Bar-Kochba-Aufstand von 132-136 n. Chr. widersetzten sich die Jüdinnen und Juden ein letztes Mal gegen das römische Kolonial-Reich. Bis auf eine kleine Minderheit flüchteten die Jüdinnen und Juden sodann aus Palästina, in alle Welt, und lebten fortan weltweit zerstreut in der Diaspora.
Macht, Staatsreligion und Anti-Judaismus
Auch die Anhänger: innen des hingerichteten Jesus von Nazareth, nun Christ: innen genannt, gerieten vorerst im römischen Reich in blutige Verfolgung, weil sie nicht den römischen Gottheiten huldigten. 380 n. Chr. entwickelte sich jedoch das Christentum zur Staatsreligion des römischen Kolonial-Reiches und setzte sich seinen zerfallenden Machtstrukturen fest. Und profitierte enorm davon.
So sicherte sich die Sekte um den Rabbi Jesus von Nazareth ein gewaltiges Fortkommen und eine fraglose Entwicklung über Jahrhunderte hinweg, bis in die Neuzeit, bis heute. Es galt das nun das Prinzip «teile und
herrsche». Eine neue Religion wurde fortan gegen eine bestehende alte, die jüdische ausgespielt.
Es entstanden Glaubensgemeinschaften der Christ: innen, nach ihren Versammlungsgebäuden Kirchen genannt, welche die Autorität des römischen Staates stützten. In Gegenseitigkeit förderten die Nachfolge-Staaten des römischen Reiches die christlichen Glaubensgemeinschaften. Damals im Westen Europas mit römisch-katholischer Observanz, mit den Päpsten als Oberhaupt. Kirche und Staat. Staat und Kirche. In Ostrom mit Byzanz dasselbe Prinzip. Kirche und Staat teilten sich die Macht.
Die Jüdinnen und Juden wurden an den Rand der Gesellschaft gedrängt, als eine Minderheit, gegebenenfalls als Kapitalgeber (Kreditvergabe) gegen Zinszahlung geschätzt, gleichzeitig jedoch gehasst, verachtet und verflucht. Durch deren Ermordung später im Mittelalter in Massakern auch Kredite sehr leicht zur Tilgung gelangen konnten. Ein satanisches Spiel setzte ein.
Die europäische Fernsehstation «arte» edierte eine Film-Serie über die Geschichte des Antisemitismus in Europa. Sie ist sehr lehrreich, beginnt mit der antijüdischen Situation in Ägypten v. Chr. und endet in der Neuzeit. Wir lernen dazu.
Neuzeit und Postkolonialismus
Im Basler Stadtcasino fand 1897 der erste Zionist:innenkongress statt, auf dem der österreichisch-ungarische Schriftsteller und Journalist Theodor Herzl die Idee eines Staates für Jüdinnen und Juden in Palästina vorlegte. Im Jahre 1903 setzten Kreise aus dem zaristischen Geheimdienst Russlands erstmals die antijüdische Verschwörungstheorie der «Protokolle der Weisen von Zion» in Umlauf. 1917 kam es zu Balfour-Deklaration:
Der Aussenminister Lord Balfour von Grossbritannien versprach, im einst osmanischen Palästina jüdische Heimatstätten zu errichten. Im gleichen Jahr übernahm England Palästina vom zerfallenden osmanischen Reich, das auf der Seite des unterlegenen Deutschlands gekämpft hatte.
Der Völkerbund übertrug 1922 das Mandat zur Verwaltung jenes Gebietes an Grossbritannien.
In den arabischen Eliten entwickelten sich in der Folge antikoloniale Bewegungen. Nachdem das osmanische Reich darniederlag, entstand im Nachfolgestaat Türkei ein starkes Nationalbewusstsein. In jener Zeit bildete sich auch im ehemaligen osmanischen Untertanengebiet des Vorderen Orients der politische Islam mit der Muslimbruderschaft. Starke Jüdinnen- und Judenfeindschaft prägte von Anfang an jenen nationalen Aufstand.
In den Dreissigerjahren vorigen Jahrhunderts wanderten gleichzeitig viele Jüdinnen und Juden nach Palästina ein. Der moderne deutsche Bauhaus-Baustil in Tel Aviv zeugt davon. Palästina entwickelte sich während des Zweiten Weltkrieges und des Holocausts zu einem der seltenen Zielorte für Menschen, denen die Flucht aus der deutschen Hölle gelang. Die Briten bremsten jedoch die Migration, wie sie nur konnten.
Nach 1945 fand die Idee von jüdischen Heimstätten für Überlebende des Holocaust in breiteren internationalen Kreisen Anklang.1947 beschlossen die Vereinten Nationen, Palästina zu teilen und jeweils einen Staat für die Jüdinnen und Juden und für die arabische Bevölkerung zu errichten. Die Jüdinnen und Juden riefen daraufhin 1948 ihren Staat Israel aus und vollzogen damit den Willen der internationalen Staatengemeinschaft.
Frontale Ablehnung des UNO-Beschlusses
Die radikale arabische Seite, apriori judenfeindlich eingestellt durch die Bestrebungen der Muslimbruderschaft, lehnten den UNO-Entscheid fortan und bis heute dezidiert ab, anerkannten nicht den völkerrechtlich bindenden UNO-Beschluss und beanspruchten ganz Palästina, vom Jordan bis ans Meer («from the river tot he sea»). Vernichtung des Judentums stand auf dem Programm. Das hatte auch direkt mit dem Grossmufti von Jerusalem, al-Husseini zu tun.
Er war eine Schlüsselfigur während und nach dem Zweiten Weltkrieg. Al-Husseinis Tun legte die Grundlage für die fortlaufenden, gewollten und strukturierten Misserfolge im palästinensischen UNO Teilungs-Projekt von 1947. Boykott des jüdischen Teilstaates Israel stand von Anfang im Programm der arabischen Nationalbestrebungen.
Al-Husseini hatte intensiv mit dem NS-Regime in Deutschland zusammengearbeitet. Er bekannte sich als arabischer Rassist und Jüdinnen- und Judenfeind. Ab April 1939 strahlte ein deutscher Sender mehrsprachige Rundfunkpropaganda aus. Er kontrollierte arabischsprachige Nazi-Sendungen in Berlin, die für den Nahen Osten bestimmt waren, führte einen radikalen, mit dem Islam kombinierten Rasse-Antisemitismus für die Muslime weltweit ein, um die radikalste Jüdinnen- und Judenvernichtung im gesamten arabisch-muslimischen Raum vorzubereiten.
Ab November 1941 bezog al-Husseini eine Apanage vom Deutschen Reich und wohnte auch fortan in Berlin, zeitweise im luxuriösen Adlon-Hotel. Nach einem Gespräch mit Adolf Hitler notierte er in sein Tagebuch, der Führer und er hätten dasselbe Ziel, nämlich «die Juden auszurotten» (Wikipedia). Al Husseini freundete sich mit Heinrich Himmler und Adolf Eichmann an und leistete Beihilfe zum Völkermord, den Holocaust. Er bildete auch Bosniaken für islamische militärische Einheiten der Wehrmacht und der Waffen-SS aus und rief zum Dschihad auf.
Am 7. Mai 1945 landete al-Husseini nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes auf dem schweizerischen Flugplatz Bern-Belpmoos.
Die Behörden überstellten ihn umgehend an die Besatzungsmacht Frankreich in Deutschland, und zwar am Bodensee. Damit entging er dem Nürnberger Kriegsverbrechertribunal. Von Paris aus ging die Reise der Protektion nach Ägypten, zur Muslimbruderschaft.
Al-Husseini und seine Truppen führten den ersten Krieg gegen den 1948 neu gegründeten Staat Israel. Yassir Arafat, Gründer der PLO, lernte seinen entfernten Verwandten al-Husseini in jener Zeit kennen. Die Feindschaft zu Jüdinnen und Juden einte sie.
Die Anliegen der arabischen Palästinenser: innen blieben stets in den Händen von judenfeindlichen Muslimen, sie änderten sich nicht von Generation zu Generation. Israel muss bis heute mit dieser Todfeindschaft in seiner unmittelbaren territorialen Nachbarschaft bestehen.
1967 überlebte das jüdische Land den zweiten Angriffskrieg mit einem territorialen Gewinn, unter anderem der Besetzung von Ost-Jerusalem und dem Westjordanland. 1973 endete der dritte Angriff der arabischen Nachbarstaaten beinahe mit einer Katastrophe für Israel.
Land gegen Frieden. Rückgabe von besetzten Gebieten blieb stets die Devise des jüdischen Staates. 2005 gab Israel den besetzten Gazastreifen zurück an die arabischen Palästinenser: innen. In der Hoffnung auf Frieden und Zusammenarbeit.
Doch am 7. Oktober 2023 zerstörten die von der Hamas durchgeführten Massaker in Israel eine weitere Hoffnung einer Zwei-Staatenlösung. Israel-Hass trat weltweit und mondän auf, mit jugendlichem Flair, gestylt, dezent, modern und «in», oft akademisch verbrämt oder kulturell inszeniert, im Milieu der bildenden Künste, der Universitäten, gesellschaftsfähig. Weit verbreitet. Die kommerziellen Verteiler: innen der Internet-Giganten bemühten sich um Einschränkungen, übten sich in freiwilliger Zensur der digitalen Hass-Orgie. Doch das radikale und terroristische Themen-Setting brach alle Dämme. Medial gesteuert sah die Weltöffentlichkeit plötzlich nur die israelischen Zwangs-Massnahmen zur Beseitigung des Hamas-Terrors in Gaza, die Bombardierungen von zivilen Zentren wie Spitäler, in denen sich die Terrorist: innen versteckten. Oder wo sich die Zugänge zur unterirdischen Gaza-Stadt befanden.
Unmittelbar nach dem Massaker des 7. Oktober 2023 in Israel schwappte eine Sympathiewelle für Palästina auch über die Schweiz, über ganz Westeuropa. Der Terror der Hamas blieb meist unerwähnt, verdrängt. Die Basis bildete ein profundes Nichtwissen bei vielen Zeitgenoss:innen. Alles schien aus dem Ruder zu laufen. Die psychologische Kriegsführung zeigte erschreckende Erfolge.
Die öffentliche Stimmung erwies sich nur teilweise aufgewühlt. Kritische Geister warnten. Aus Sicherheitsgründen verbaten Behörden der Schweiz am Wochenende der eidgenössischen Wahlen vom 22. Oktober 2023 öffentliche Kundgebungen.
Antijüdischer Terror auch in der Schweiz
Wie bei dieser antisemitischen Grundstimmung die Verfolgung von Jüdinnen und Juden in der Schweiz weiter ging, zeigte eine fast tödliche Messerattacke eines 15-Jährigen von muslimisch-tunesischer Herkunft. Am späten Samstagabend des 2. März 2024 stach er im Kreis 1 in Zürich auf offener Strasse einen ihm unbekannten orthodoxen Juden nieder und tötete ihn beinahe. Einige Stunden zuvor hatte er ein Bekennervideo ins Netz gestellt. Darin schwörte er dem Kalifat des Islamischen Staates (IS) seine Treue. Das Opfer war ein Rabbiner von der Synagoge Agudas Achim («Bund der Brüder»). Diese wurde nach 1945, nach der Schoa, während 15 Jahren geplant und 1959 bis 1960 errichtet. Die Synagoge gehört in die
Tradition des osteuropäischen Judentums.
Im Stadtgebiet von Zürich war es im Jahre 2001 bereits zu einer ähnlichen Bluttat gekommen, die jedoch tragischerweise mit dem Tode des Opfers, von Rabbiner Abraham Grünbaum aus Israel endete. Die Täter:innenschaft blieb bisher unbekannt.
Sie dürfte jedoch aus einem analogen Personenkreis stammen, und nicht wie die Polizeifahndung während Jahren annahm, aus dem Umfeld des europäischen Neonazismus. Rabbiner Abraham Grünbaum, 1930 in Polen geboren, war Überlebender der Schoa.
UNO und Sympathien für die Täter:innenschaft
Ein Blick in die Zeitgeschichte mag das Verständnis für die Ursachen solcher Verbrechen fördern. Ab 11. August 1949 besass Israel eine Vollmitgliedschaft in der UNO. Bald zeigten sich jedoch nachhaltige, negative, internationale Wirkungen aus der einstigen Allianz von Hitler und Himmler mit dem Grossmufti von Jerusalem al-Husseini, ihrem politischen Freund und Zudiener.
Eine Schlüsselfigur war er jedenfalls, al-Husseini, das Bindeglied zwischen dem europäischen Menschheitsverbrechertum unter den Nationalsozialist: innen und dem aufstrebenden arabischen Nationalbewusstsein und seinen terroristischen Ablegern.
Der Grossmufti von Jerusalem, der im Dritten Reich durch Ratschläge am Holocaust mitwirkte, sich 1945 dank Protektion der Muslimbruderschaft jeder Verantwortung am Nürnberger Kriegsverbrecher-Tribunal entziehen konnte und bereits 1955 beim Entstehen der Drittweltbewegung (Asien-Afrika) der Bandung-Konferenz in Indonesien eine bedeutende ideologische Rolle für Palästina spielte. 29 Länder und 30 Befreiungsbewegungen, in denen zwei Drittel der Menschheit lebten, erklärten in Bandung das Ende der Kolonialzeit. Es gab auch Fotos, so mit dem Grossmufti al-Husseini von Jerusalem und Tschu En Lai, Premierminister der Volksrepublik China.
Damals entstand in der zweiten NS-Nachkriegsgeneration das Narrativ vom Kampf gegen den Kolonialismus, Neokolonialismus, Kapitalismus, sprich auch gegen den jüdischen Staat. Die Blockfreien von Bandung wollten 1955 Israel nicht einladen. Für Palästina hatte vor Ort in Indonesien al-Husseini, der NS-Verbrecher, das Sagen. Da Japan Indonesien als niederländische Kolonie 1942 bis 1945 besetzt hatte, und Japan wiederum Allierter von Hitlers Reich war, fiel 1955 al-Husseini der Auftritt im
befreundeten Indonesien nicht schwer.
Die Zeit der Aufklärung in Europa und für die Welt, die Epoche von Rechtsstaat und Demokratie schienen vorbei zu sein. Diese Entwicklung im Postkolonialismus setzte sich auch in der UNO fest. In der UN-Generalversammlung gibt es bis heute eine Mehrheit von Staaten, welche die Situation der Palästinenser: innen stets von Neuem auf die Tagesordnung setzen und sich dabei negativ gegen Israel äußern.
Israel-Bashing ist seit Langem auf UN-Ebene internationale Norm, und «in». Dazu diente auch die UNRWA (United Nations Relief and Works Agency), ein temporäres Hilfsprogramm der UNO, das seit seiner Gründung 1949 jeweils um drei Jahre verlängert werden musste.
Die UNRWA edierte auch antijüdische und antiisraelische Inhalte für den Schulgebrauch, was zu heftigen Protesten führte. Bis 2019 präsidierte ein Schweizer, Pierre Krähenbühl die umstrittene UNRWA.
Das sind die internationalen Netzwerke der Schweiz im humanitären Bereich: Gegen Ende des Jahres 2023 ernannte das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) in Genf Pierre Krähenbühl zum Generaldirektor. Als neuer Präsident der UNRWA avancierte 2020 ebenfalls ein Schweizer, Philippe Lazzarini.
Mit Beteiligung von Schweizern
Schauen wir, privilegierte Schweizer: innen, doch etwas hinter die antijüdische Agitation, die uns heute einige Medien und das Internet global einzutrichtern versuchen. Sachliche Information und Aufklärung schaden nie. Es geht um den Begriff humanitäre Hilfe, zugunsten von hilfsbedürftigen Palästinenser: innen. Ums IKRK, ums Rote Kreuz (Roter Halbmond) national. Um die UNO, um die UNRWA.
Als 1947 die Weltengemeinschaft Palästina in einen jüdischen und in einen arabischen Bereich teilte, dauerte es nur ein Jahr, bis 1948 der Staat Israel entstand. Der Krieg, der unmittelbar nach der Ausrufung des Staates Israel nach 1948 begann, führte zu Flüchtlingswellen auf beiden Seiten des Konfliktes. Zur Vertreibung jüdischer Personen aus arabischen Ländern nach Israel - und zur Vertreibung arabischer Personen aus dem Gebiet von Israel. Zur jüdischen Nakba einerseits, zur arabischen Nakba andererseits.
Mit der Schaffung der UNRWA entstand auch eine einseitige Ausnahme von der allgemein geltenden Genfer Flüchtlingskonvention. Palästinenser: innen erhielten eine eigene Ausnahme-Regelung. Sie bestand (und besteht bis heute) darin, dass der Flüchtlingsstatus für Palästinensier:innen auf Nachkommen vererbbar blieb und somit ein theoretisches Recht auf Rückkehr definierte. Das Provisorium, die UNRWA, ist das eigentliche Gegenstück zum völkerrechtlich anerkannten Staat Israel. Mit einer permanent verdeckten anti-israelischen Agitation unter der Flagge der UNO. Wie konnten die Feinde Israels unter der Tarnung humanitäre Hilfe handeln? Die indonesischen Rotkreuz / Rothalbmond-Gesellschaften und andere indonesische humanitäre Organisationen trugen mit viel Spenden zum Bau der medizinischen Einrichtung bei. Indonesien, als eines der Länder mit der global grössten Zahl an muslimischen Einwohnern, wollte seinen bedrängten Glaubensgenoss: innen im Westen, an der Schnittlinie zu Europa helfen. Indonesien anerkannte Israel nie. In Gaza-Stadt weihte im Januar 2016 der indonesische Vizepräsident das Indonesische Spital ein.
Die indonesische humanitäre Hilfe für Gaza bestand indessen im Bau einer gigantischen bunkerähnlichen Bastion aus viel Naturstein, in einem gleichmässig sechseckigen Grundriss, damit Geschosse besser abprallten. Ganz in der Nähe jener Spital-Festung befanden sich Eingänge zu Gaza-Stadt II, zu den Tunnels im Untergrund. In der Nähe auch ein Lager für Palästina-Flüchtlinge – in Palästina, Hochburg der Hamas. UNWRA. Ein israelischer Militärsprecher (IDF) erklärte, das indonesische Krankenhaus wäre von der Hamas auf einem Gelände gebaut worden.
Welches über einem Netz von Hamas-Tunneln lag. Unter dem UNRWA Hauptsitz fanden die IDF später einen Tunnel mit dem Datenzentrum des militärischen Nachrichtendienstes der Hamas.
Die deutsche Zeitung «Jüdische Allgemeine» schrieb am 4. April 2024 treffend: «Noch nicht einmal 1939, als Hitler vor dem Reichstag in Berlin ‘die Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa’ ankündigte, glaubte die Welt seinen Worten. Das hatte fatale Folgen. Wir Juden haben unsere Konsequenzen daraus gezogen und nehmen solche Drohungen ernst. Antisemiten ihrerseits haben im Postnationalsozialismus gelernt, statt der ‘Judenvernichtung’ die Vernichtung Israels zu fordern. Neonazis,
Antiimperialisten, Muslimbrüder, Teheraner Mullahs und marxistische PFLP
Terroristen sind in ihrem Wording diesbezüglich kaum voneinander zu
unterscheiden.»
Es bleiben Fragen
Wann, wann endlich kann sich das selbstverwaltete Palästina vom Terrorregime der Hamas lossagen? Und ein friedliches Zusammenleben in der Region anstreben? Wann endlich kann Israel ohne Angriffe, ohne Terror leben? Des Leidens wäre nun genug.
Als Agnostiker, als Zweifler möchte ich an Lessings Nathan den Weisen, an die Aufklärung in Europa Ende achtzehnten Jahrhunderts erinnern. An die Ringparabel, wonach die drei abrahamistischen Religionen, das Judentum, das Christentum und der Islam vor Gott gleichwertig wären. Religionen, ja.
Und der politische Islam?
Und das politische Christentum?
Das antisemitische Christentum?
*
Hinweise
https://www.friedrich-verlag.de/shop/mwdownloads/download/link/id/91984/
https://www.studysmarter.de/schule/geschichte/nahostkonflikt/britische-mandatszeit-palaestina/
https://www.ieg-ego.eu/de/mediainfo/husseini-und-hitler-1941
https://de.wikipedia.org/wiki/Mohammed_Amin_al-Husseini
https://www.juedische-allgemeine.de/israel/es-fehlen-die-worte/
https://www.nzz.ch/schweiz/mordfall-gruenbaum-ungeloest-ld.1628722
https://unwatch.org/
https://www.nzz.ch/feuilleton/die-nazis-fanden-ihr-heil-in-nahost-ld.1839569
Anmerkung des Verfassers: Dieser Text bildet eines der letzten Kapitel im Buchprojekt «Jenes Gelände», Paul Ignaz Vogel, Lebenserinnerungen.
© Paul Ignaz Vogel, 26.06.2024